Evelyn Richter – Entwicklungswunder Mensch

18. November 2023 – 27. Januar 2024

Eröffnung: Freitag, 17. November 2023 | 18 – 21 Uhr

 

Die LOOCK Galerie freut sich, Evelyn Richter erstmals mit ihrem Projekt Entwicklungswunder Mensch als Einzelausstellung in Berlin zu präsentieren.

Im Jahr 1978 arbeiteten Evelyn Richter und der renommierte Psychologe Hans-Dieter Schmidt eng an der Publikation Entwicklungswunder Mensch zusammen, die sich eingehend mit der frühkindlichen Entwicklung von der Geburt bis zur Einschulung auseinandersetzt. Durch die Gleichwertigkeit von Text und Fotografie vereint dieses Buch zwei scheinbar konträre Gattungen – das künstlerische Fotobuch und das entwicklungspsychologische Sachbuch. Es begründete damit einen völlig neuen Stil von Sachbüchern in der DDR. Mit fünf Editionen und einer Gesamtauflage von 100.000 Exemplaren war dies ein großer Erfolg für den Urania Verlag.
Der formale Ansatz des Fotobuchs ermöglichte es Richter, mithilfe einer sorgfältig konzipierten Bildabfolge eine eindrucksvolle Geschichte über das Kindsein zu erzählen. Sie trug den Großteil der Fotografien bei und ergänzte diese um zusätzliche Beiträge ihrer Fotokolleg:innen, darunter Sibylle Bergemann, Christian Borchert, Margit Emmrich, Bernd Heyden, Ute und Werner Mahler, Helga Paris und Brigitte Voigt, deren Arbeiten ebenfalls in der LOOCK Galerie gezeigt werden. Zusammen mit dem Grafiker Walter Schiller setzte Richter als gestalterisches Mittel jeweils zwei als gegensätzlich empfundene Bilder direkt gegenüber und visualisierte verschiedene Handlungsabläufe in filmisch anmutenden Sequenzen.

Im Rahmen dieser Ausstellung findet am Samstag, den 9. Dezember 2023, um 16 Uhr eine Podiumsdiskussion mit Annekathrin Müller und Michael Junge statt.

 

Evelyn Richter (*1930 Bautzen, † Dresden) gilt als eine der renommiertesten und international anerkannten Vertreter:innen der humanistisch geprägten künstlerischen Fotografie in der DDR. Nach ihrer fotografischen Ausbildung 1948 bis 1951 bei Pan Walther und Fritz Fiedler in Dresden arbeitete sie unter anderem als Fotografin für Spannungsoptik an der TU Dresden. 1953 nahm sie ihr Fotografie-Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig auf. Von dem Studium erhoffte sie sich eine intensive, künstlerische Auseinandersetzung mit dem Medium, wurde aber 1955 offiziell wegen Verstößen gegen die Studienordnung exmatrikuliert. Inoffiziell lag Richters Studienausschluss in ihrer Kritik am Studienbetrieb, insbesondere an den starren politischen Vorgaben und der ideologischen Vereinnahmung, begründet. Seit 1955 arbeitete Richter als freischaffende Fotografin. Anfänglich im Bereich der Theaterfotografie, für die Tagespresse, verschiedene Zeitschriften (Das Magazin, Für Dich, Fotofalter, Sibylle) sowie für die Leipziger Messe. Durch ihre bildjournalistischen Arbeiten konnte sie ihr künstlerisches Anliegen weiterhin verfolgen. Zwischen 1956 und 1959 war sie Mitglied der oppositionellen Vereinigung action fotografie in Leipzig (u.a. mit Ursula Arnold) wie auch der gruppe (u.a. mit Arno Fischer). In den 1970er und 1980er Jahren publizierte sie als verantwortliche Bildredakteurin und Fotografin drei Fotobücher: David Oistrach. Ein Arbeitsporträt (1973), Paul Dessau. Aus Gesprächen (1974) und Entwicklungswunder Mensch (1980, 1. Auflage). 1981 kehrte die Fotografin als Lehrbeauftragte an die HGB Leipzig zurück, wo sie von 1991 bis 2001 als Ehrenprofessorin dozierte. Zwischen 1990 und 1991 lehrte sie zudem an der Fachhochschule Bielefeld.

Arbeiten von Evelyn Richter wurden unter anderem in folgenden Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt: Museum der Bildenden Künste Leipzig (2023); Kunstpalast, Düsseldorf (2022/23); Albertinum – Staatliche Kunstsammlungen Dresden (2020); The Wende Museum, Culver City (2018/19); Berlinische Galerie (2017, 2012/13, 1992); Leonhardi-Museum, Dresden (2010); Deutsches Historisches Museum, Berlin (2009/10, 1997); Neue Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin (2003); Goethe-Institut, Washington / Leica-Galerie, New York (2002/03); Hara Museum of Contemporary Art, Tokio (1998); Schirn Kunsthalle Frankfurt (1998); Grande Arche de la Défense, Paris (1994); Musée de la Photographie Charleroi, Belgien (1994); Les Rencontres de la photographie d‘Arles (1987); Fotomuseum im Münchner Stadtmuseum (1984).

Richter erhielt diverse Auszeichnungen, darunter den Kulturpreis der Deutschen Gesellschaft für Photographie (1992), das Stipendium an der Deutschen Akademie Villa Massimo, Rom (1997), den Kunstpreis der Landeshauptstadt Dresden (2006) sowie die Ehrenmitgliedschaft der Sächsischen Akademie der Künste (2013). Für ihr Lebenswerk erhielt sie 2020 den erstmals ausgelobten Bernd-und-Hilla-Becher-Preis der Stadt Düsseldorf.